Dr. Jörg Mull präsentiert mit seinem Buch „Mythen und Metalle – Der Trojanische Krieg, die Seevölker und der Kulturbruch am Ende der Bronzezeit“ eine umfassende Analyse der bis etwa 2014 erschienenen Literatur zu dem im Buchtitel umrissenen Themenkomplex. Bereichernd und erfrischend ist die nicht von den vorherrschenden Denkschulen geprägte neutrale Sicht des Autors. Die Arbeiten und Ideen des niederländischen Linguisten Fred Woudhuizen sind denn auch für Jörg Mull oft sowohl Ausgangs-, wie auch Dreh- und Angelpunkt der Untersuchung. Als Pragmatiker mit Wirtschaftserfahrung erkennt der Autor, dass der Metallhandel in der Bronzezeit genau wie heute auf das Funktionieren der „Supply Chains“ angewiesen war. Auf der Suche nach Erklärungen für das relativ abrupte Ende der Bronzezeit unterscheidet Jörg Mull zwischen den beiden Hauptmodellen im Hinblick auf die Herkunft der angreifenden Seevölker. Nach der „Adriatheorie“ sind die Seevölker letztlich aus dem Urnenfelderkulturraum über den Balkan nach Italien und Griechenland gelangt. Die „Kleinasientheorie“ hingegen ortet die Heimat der Seevölker im Westen Anatoliens. Obwohl Jörg Mulls Buch in mancherlei Hinsicht (darunter Themenkreis, Herangehensweise, Aufbau, Illustrationen) wie eine Fortsetzung und Aktualisierung von Eberhard Zanggers „Ein neuer Kampf um Troia“ aus dem Jahr 1994 erscheint (aus dem der Autor häufig zitiert), führt Mull die „Kleinasientheorie“ ausdrücklich auf Forscher zurück, die entweder viel früher (z. B. August Strobel, William Albright) oder deutlich später (z. B. Heike Sternberg-el Hotabi, Manuel Robbins) Argumente für eine Herkunft der Seevölker im Westen Kleinasiens präsentiert haben. Die über 300-seitige Untersuchung hilft allen, die sich einen Überblick über dieses komplexe Thema verschaffen wollen – und sich nicht scheuen, auch die Tradierung in Mythen zu berücksichtigen. Letztlich kommt der Autor übrigens zum Schluss, dass die Argumente für die „Kleinasientheorie“ überwiegen. – Das Buch ist 2017 im Leipziger Universitätsverlag erschienen, umfasst 305 Seiten und hat die ISBN 978-3-96023-106-0.