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Die Geschichte von Troja

Blick von der Tellsiedlung Maidos im heutigen Eceabat am Nordufer der Dardanellen auf die Wasserstraße Richtung Osten.
Das Nordosttor von Troja VI (Aufnahme aus dem Jahr 1991).
Mit Kreis markiert ist die Ausdehnung des Königreichs Troja nach Homer (Ilias 24.546). Die Punkte zeigen Orte, die laut Homer und anderen Quellen von Achilles zerstört wurden.
Wenn der Umfang der befestigten Stadt Hattuša in die Ebene von Troja übertragen wird, deckt sie den in der Karte gezeigten Bereich ab.

Troja, so heißt es heute, sei vor allem wegen der Epen Homers berühmt geworden. Nachdem Wissenschaftler lange an der Existenz Trojas gezweifelt haben, ist seine Lage auf dem Hügel Hisarlık an der südwestlichen Einfahrt der Dardanellen heute weitgehend anerkannt. Bereits im 3. Jt. v. Chr. befand sich auf dem Hügel eine befestigte Burg. Seinen Höhepunkt erlebte der Ort von ca. 1700 bis 1200 v. Chr. Die Größe Trojas und seine Rolle am Ende der Bronzezeit sind auch heute noch höchst umstritten.

KENNTNISSTAND

Die Existenz und die Lage Trojas gehörten lange zu den umstrittensten Themen der Archäologie. Heute gehen die Wissenschaftler mehrheitlich davon aus, dass der Siedlungshügel Hisarlık an der südwestlichen Einfahrt der Dardanellen mit dem von Homer besungenen Troja übereinstimmt. Bereits im 3. Jt. v. Chr. befand sich auf dem Hügel eine befestigte Burg, ihren Höhepunkt erlebte die Siedlungsstätte jedoch von ca. 1700 bis 1200 v. Chr. Noch im Römischen Reich wurden Troja und seine Helden hoch verehrt. Erst mit dem Beginn des Mittelalters geriet die genaue Lage des Orts in Vergessenheit.

Bis heute heftig diskutiert werden die Größe und die Bedeutung Trojas. Manche Forscher sind der Ansicht, dass die Siedlung nur eine regionale Bedeutung hatte, andere sehen Troja als wichtiges Handelszentrum mit weitreichenden Beziehungen. Die 2001/02 öffentlich ausgetragene Troja-Debatte zwischen dem damaligen Ausgräber Manfred Korfmann und dem Althistoriker Frank Kolb brachte letztlich keine Klärung.

Ebenso unklar ist schließlich die Historizität des Trojanischen Kriegs, den Homer in der Ilias beschreibt. Sicher ist, dass die Siedlung kurz nach 1200 v. Chr. zerstört wurde. Hethitische Schriftfunde dokumentieren, dass sowohl die Hethiter als auch die Mykener versuchten, ihren Einflussbereich in den westkleinasiatischen Küstenregionen auszudehnen. Ein Angriff der Mykener wäre daher plausibel, lässt sich aber nicht nachweisen.

ANREGUNGEN

Mythos einer Stadt, nicht einer Dichtung

Prinzipiell gibt es zwei Wege, die herausragende Bedeutung Trojas in der europäischen Kulturgeschichte zu erklären. Viele Wissenschaftler, darunter der langjährige Ausgräber der Fundstätte Manfred Korfmann und sein Assistent Peter Jablonka, leiten die Bedeutung Trojas vom hohen Stellenwert der Dichtung Homers ab. Aus ihrer Sicht hat die Ilias dazu geführt, dass Menschen Troja jahrtausendelang verherrlichten – obwohl der Ort so viel Ruhm eigentlich gar nicht verdient habe, denn die Grabungen haben bis heute nur eine Siedlungsstätte von relativ bescheidenem Umfang freigelegt.

Es gibt viel, was gegen die Vorstellung spricht, dass sich Trojas Ruhm von Homers Ruhm herleitet. Homer war ein griechischer Schriftsteller, der ein Gedicht auf Griechisch über griechische Helden schrieb, die einen großen Krieg mit dem Sieg der griechischen Streitkräfte beendeten. Wie und warum sollten die nachfolgenden Generationen (über zweitausend Jahre lang!) nicht etwa die Sieger, sondern den kleinen Ort verherrlichen, der damals von den Griechen geschlagen wurde? Wenn Homers Gedichte den Trojanischen Krieg berühmt machten, dann hätten sich römische Aristokratenfamilien und die Völker Europas wohl eher von Agamemnon und den Mykenern hergeleitet und sicher nicht von den Verlierern des Trojanischen Krieges. Zweitens sind die vielen Details, die von Troja aus seiner Blütezeit überliefert worden sind, gar nicht bei Homer zu finden. Es muss also neben Homer noch andere Quellen zu Troja gegeben haben. Drittens war das Thema Troja besonders im Mittelalter beliebt, zu einer Zeit, als Homers Werk nicht verfügbar war und als verschollen galt.

Die zweite, hier favorisierte Möglichkeit ist, dass Troja zu einem Mythos wurde, weil der Ort und sein Untergang tatsächlich einen einzigartigen Stellenwert hatten. Homers Werk profitierte demnach von der Bedeutung Trojas, nicht umgekehrt. Im Hinblick auf Größe und Bedeutung des bronzezeitlichen Troja gibt es durchaus Spielraum für Szenarien, die sich sehr von den vorherrschenden Lehrmeinungen unterscheiden. Es wäre durchaus möglich, dass die Stadt sogar um ein Hundertfaches größer war, als man noch 1992 annahm. Trotz über 140-jähriger Grabungsgeschichte hat man bisher nur den befestigten Palasthügel Ilion erforscht. Dieser war verschiedenen antiken Texten zufolge von einem Schlosspark umgeben. Die eigentliche Stadt Troja lag in der Ebene, in der Aue der Flüsse Karamanderes und Dümrek (Diodor 4.75.3). Die trojanischen Könige hatten ausgezeichnete Wasserbauer engagiert. Diese ließen die Flüsse kanalisieren, so dass ihr Wasser sowohl zur Bewässerung der Felder wie auch zur Reinigung der Stadt genutzt werden konnte (siehe Guido de Columnis). Die Griechen dürften die Deiche während ihrer Angriffe schon früh zerstört haben. Da der Krieg während der trockenen Sommermonate geführt wurde, hatte dies keine unmittelbaren Auswirkungen. Als jedoch im Winter nach der Niederlage Trojas die ersten großen Regengüsse einsetzten, versanken die topografisch tief gelegenen Ruinen der Stadt unter Schlammmassen. Dort – in der Ebene unterhalb von Hisarlık – liegen die Reste von Troja unseres Erachtens noch heute verborgen. Tatsächlich wurden nach Aussage des Ausgräbers Manfred Korfmann in persönlichen Gesprächen in den Bohrungen rund um Ilion Keramikfragmente bis in große Tiefe gefunden.

Der Geoarchäologe Ilhan Kayan, der die Stratigrafie der Auesedimente mehr als drei Jahrzehnte lang erforschte und über 300 Bohrlöcher dort anlegte, kam zum Schluss: „Aus archäologischer Sicht ist das Gebiet am Fuße des Nordhangs von Troia wichtig … Im Licht dieser Ergebnisse denken wir, dass es sehr nützlich wäre, dort eine etwa 7 m tiefe archäologische Ausgrabung durchzuführen.“ Und an anderer Stelle zu den Funden in den Bohrungen: „Stücke von Ziegeln, Steinen und Mörtel weisen auf die Überreste eines Gebäudes hin.“

Troja war in seiner Blütezeit tatsächlich der Inbegriff einer florierenden Stadt – und deswegen wurde es als solche zum Sinnbild in der europäischen Kulturgeschichte. Nur wenige Besucher, die Troja in voller Pracht erlebten, dürften je einen vergleichbar beeindruckenden Ort gesehen haben.

LITERATUR

Blegen, Carl W. (1963): Troy and the Trojans. Thames and Hudson, London, 1-240.
Bryce, Trevor (2003): “Chapter Three: History.” In: The Luwians. H. Craig Melchert (Hg.), Brill, Leiden, 27-127.
Jablonka, Peter (2010): “Troy.” In: The Oxford Handbook of the Bronze Age Aegean. Eric H. Cline (ed.), Oxford University Press, Oxford, 849-861.
Kolb, Frank (2010): Tatort “Troia.” Ferdinand Schöningh, Paderborn, 1-310.
Korfmann, Manfred O. (ed.) (2006): Troia – Archäologie eines Siedlungshügels und seiner Landschaft. Philipp von Zabern, Mainz, 1-419.
Korfmann, Manfred O. & Dietrich P. Mannsperger (eds.) (2012): Troia/Wilusa – Überblick und offizieller Rundweg mit Informationstafeln verfasst von der Grabungsleitung. Çanakkale-Tübingen Troıa Vakfi, Istanbul, 1-136.
Rose, Charles Brian (2014): The archaeology of Greek and Roman Troy. Cambridge University Press, New York, 1-406.
Schliemann, Henry (1875): Troy and its remains. John Murray, London, 1-392.