Interview mit Fred Woudhuizen über die Frage, ob die Hieroglypheninschrift aus Beyköy gefälscht sein könnte

Kaum trat die luwische Hieroglyphenschrift aus Beyköy ans Tageslicht, äußerten sich Fachleute mit der Vermutung, dass es sich um eine Fälschung handeln könnte. Wie kommt es dazu?

Tatsächlich erfuhren mein Koautor und ich schon von diesen Verdächtigungen, vier Wochen bevor die Nachricht um die Welt ging. Wir hatten damals noch nicht gewusst, dass die Inschrift seit geraumer Zeit bekannt ist. Einige Kollegen kennen sie seit 28 Jahren und besitzen sogar Kopien davon. Meiner Ansicht nach lassen sich die Fälschungsvorwürfe auf drei Ursachen zurückführen. Erstens fehlt das Originaldokument; wir haben nur eine Zeichnung. Zweitens stammt diese Zeichnung aus dem Nachlass von James Mellaart, einem Wissenschaftler, der angeblich Beweise gefälscht haben soll. Drittens enthält der Text einige grammatikalische Besonderheiten, die wir bisher nicht gesehen haben.

Es könnten aber auch Grammatikfehler sein?

Ich möchte betonen, dass der Text grammatikalisch korrekt und absolut sinnvoll ist. Tatsächlich enthält er einige Symbole, Ligationen und Schreibweisen, die wir bisher noch nicht kannten. Da es sich aber um die bei weitem längste luwische Hieroglypheninschrift aus der Bronzezeit handelt, finde ich dies nicht weiter verwunderlich. Wir wurden zum Beispiel darauf hingewiesen, dass kein luwischer Schreiber die Silbe /na/ verwenden würde, wie sie in á-la-na-ti+li, dem Namen des Großkönigs von Mira und Sohn von Kupuntakuruntas II., vorkommt. Es ist völlig richtig, dass wir das noch nie so gesehen haben. Allerdings hatten wir bisher auch keinen Text von diesem Umfang, aus dieser Region oder aus dieser Zeit. Wir wissen nicht einmal, wie Luwisch in Arzawa gesprochen wurde, da es bisher nur ganz wenige Dokumente gab. Die Leute hatten vielleicht eine ganz andere Einstellung gegenüber ihrer Schrift, als wir heute meinen. Kurz gesagt: Wenn ein so spektakulärer Text auftaucht, müssen wir davon ausgehen, darin Dinge zu finden, die wir bisher nicht kannten. Meiner Meinung nach sind die Abweichungen vielmehr klare Indizien für die Authentizität des Textes. Ein Fälscher, der in der Lage ist, sich ein so gewaltiges Dokument auszudenken, hätte wohl kaum durch die Erfindung neuer Schreibweisen Verdacht erregen wollen.

Was ist Ihr wichtigstes Anliegen?

Bevor man die Echtheit des Dokuments in Frage stellt, sollte man unsere wissenschaftliche Publikation kennen. Wir widmen der Diskussion, ob der Text eine Fälschung sein könnte, volle sechs Seiten – und ich denke, unsere Argumente sind überzeugender. Als Nächstes sollte man versuchen, die potenzielle Bedeutung des Textes für unser Fachgebiet zu ermessen. Natürlich muss es eine dialektische Auseinandersetzung geben, aber ich wünschte mir mehr Gelassenheit und auch ein wenig Wohlwollen. Die Untersuchung der luwischen Kultur profitiert enorm von der Aufmerksamkeit, die sie gerade bekommt. Wie sagte Natasha Frost in Atlas Obscura: „Endlich erfreut sich diese kaum bekannte Ecke der alten Geschichte eines Momentes an der Sonne.“ Jeder in unserem kleinen Forschungsgebiet darf diesen Moment an der Sonne genießen.

Warum spricht die Herkunft des Materials – aus dem Nachlass von James Mellaart – gegen seine Echtheit?

So würde ich das nicht formulieren. James Mellaart war ein hervorragender Prähistoriker und einer der erfolgreichsten Entdecker im 20. Jahrhundert. Bereits als junger Mann galt er als einer der weltweit renommiertesten Archäologen. Wir haben ihm viel zu verdanken – vor allem seine Entdeckungen und Ausgrabungen von Beycesultan, Çatalhöyük und Hacılar. Während seiner ganzen beruflichen Laufbahn brachte man den Namen Mellaart allerdings auch mit Artefakten fragwürdiger Herkunft in Verbindung. Mein Kollege Eberhard Zangger hat sich mit der Glaubwürdigkeit Mellaarts beschäftigt, nachdem dieser ihn bereits 1995 über die Bedeutung von Dokumenten aus Beyköy ins Bild gesetzt hatte. Es stellte sich heraus, dass keine Untersuchungskommission jemals zum Schluss kam, Mellaart hätte sich irgendetwas zuschulden kommen lassen oder gar gefälscht. Es gibt wirklich keinen Beweis dafür. Mellaarts Ruf ist viel schlechter, als er es verdient hätte.

Hätte Mellaart die luwische Hieroglyphenschrift fabrizieren können?

Nein, das ist absolut undenkbar. Mellaart konnte luwische Hieroglyphen nicht einmal lesen, geschweige denn schreiben. Er war auch gar nicht an der Auswertung dieses Materials beteiligt. Seinen Notizen zufolge hatte man ihn lediglich um einen Beitrag für eine Publikation gebeten, die unter anderem diese luwische Inschrift enthalten sollte. Es ist aber auch äußerst unwahrscheinlich, dass andere Wissenschaftler, die sich in den 1980er Jahren mit dem Text beschäftigten, diesen gefälscht haben. Das Dokument enthält eine Metaebene an Informationen, die den Gelehrten, die sich seinerzeit mit der Bearbeitung beschäftigten, völlig entging. Uns liegt die damalige Übersetzung vor, die aus heutiger Sicht geradezu unbeholfen ist. Hinzu kommt, dass die angebliche Fälschung vermutlich bereits vor 1990 hätte entstanden sein müssen. Oliver Gurney, der Direktor des British Archaeological Institute in Ankara, hat die Inschrift offenbar 1989 öffentlich präsentiert. Da die luwische Hieroglyphenschrift erst um 1950 entschlüsselt wurde, müsste die Inschrift also zwischen 1950 und 1990 fabriziert worden sein. Ich bezweifle, dass damals irgendjemand über das erforderliche Wissen verfügte. Ja ich wage zu behaupten, dass es selbst heute niemanden gibt, der das könnte.

Wie ließe sich beweisen, dass die Inschrift tatsächlich existierte?

Wichtig wäre, die Dokumente der Wissenschaftler zu finden, die in den 1980er Jahren an der Veröffentlichung der Inschrift arbeiteten. Uluğ Bahadır Alkım, dem die Verantwortung für die Publikation übertragen worden war, starb 1981. Es ist durchaus möglich, dass Dokumente des damaligen Projekts noch heute existieren – in seinem Nachlass, bei der Türkischen Historischen Gesellschaft oder bei einem Verlag. Darüber hinaus sind die Kuratoren der wissenschaftlichen Sammlungen in Istanbul und Ankara gefragt. Sie sind zwar nicht für diese spezielle Inschrift verantwortlich, aber nach allem, was wir wissen, gelangten im 19. Jahrhundert einige Dokumente in die Hände der osmanischen Regierung. Wenn nur eine dieser Inschriften öffentlich gezeigt würde, bekäme die ganze Diskussion einen anderen Verlauf. Das Gleiche gilt für Privatsammler und nicht zuletzt für Bauern, die immer wieder zufällig bedeutende Funde machen. Es schadet nichts, wenn sie sich damit an die archäologischen Behörden wenden.

Wie geht es weiter?

Unsere wissenschaftliche Arbeit wird in Kürze erscheinen. Ich hoffe, dass die Diskussion danach wissenschaftlicher und weniger emotional geführt wird. Außerdem werden weitere, bisher unbekannte luwische Hieroglyphentexte veröffentlicht werden. Ein besonders auffälliger soll in den anstehenden Fels gehauen worden sein. Wenn die Menschen in der Türkei erneut so begeistert reagieren wie auf die Hieroglypheninschrift von Beyköy, könnte es sein, dass diese Felsinschrift schon bald wiederentdeckt sein wird. Und ich möchte noch einmal betonen: Letztlich profitieren das gesamte Fachgebiet und damit wir alle von diesen Entdeckungen und Entwicklungen.