Luwische Schriften

Nişantaş (der Zeichenstein) in Hattuša zeigt auf einer geglätteten Schräge die mit 8,5 m Breite und 11 Zeilen längste luwische Hieroglypheninschrift.
Luwische Hieroglyphenschrift in Hattuša. Die Luwier beherrschten die Schrift schon seit mindestens 500 Jahren, als sie erstmals in mykenischen Königshöfen Gebrauch fand.
Sultanhanı-Steindenkmal aus der Region zwischen Konya und Aksaray mit einer luwischen Hieroglypheninschrift aus dem 8. Jh. v. Chr.
Basalt-Orthostat aus Karkemisch mit luwischen Hieroglyphen (900–700 v. Chr.).
Fragment einer großen Basalt-Stele aus Karkemisch (900–700 v. Chr.) mit luwischen Hieroglyphen.
Basalt-Orthostat aus Karkemisch (900–700 v. Chr.): „... lassen Sie sie nicht König und Meister der Stadt werden...“
Basaltsockel aus Karkemisch (900–700 v. Chr.): „Ich bin Yariris, der Herrscher und Prinz von Tarhunza, Kubaba, Karhuhas und von der Sonne ... Ich beherrschte 12 Sprachen...“
Tontafel mit akkadischer Keilschrift aus Hattuša.
Diese sechszeilige luwische Hieroglypheninschrift in der Kammer 2 in Hattuša ist 1,8 x 4 Meter gross.

Die luwische Hieroglyphenschrift lässt sich bis mindestens 2000 v. Chr. zurückverfolgen und bestand lange Zeit parallel zu luwischen Texten in Keilschrift. Weil beide Schriften in Hattuša gefunden wurden, nannten Wissenschaftler die luwischen Hieroglyphen bis vor wenigen Jahren noch „hethitische Hieroglyphen“. Das führte dazu, dass fast jede Fundstätte, in der luwische Hieroglyphen auftauchten, automatisch – und zu Unrecht – dem hethitischen Herrschaftsbereich zugeordnet wurde.

KENNTNISSTAND

Die Hethiter haben zur Darstellung ihrer Sprache die akkadische Keilschrift in einer von Babylonien geprägten nordsyrischen Ausführung übernommen. In dieser Schrift hielten sie Texte in verschiedenen Sprachen fest: nešili, der Sprache der Hethiter; hattili, der Sprache der hattischen Urbevölkerung; luwili (Luwisch), der Sprache des Südens und Westens Kleinasiens; sowie Palaisch, das im Norden gesprochen wurde und nur mit wenigen Texten vertreten ist.

Neben den keilschriftluwischen Texten existierte aber auch noch eine eigenständige luwische Hieroglyphenschrift. Bereits 1812 sah der schweizerische Orientreisende Jean Louis Burckhardt, der als erster Europäer Petra und Mekka besuchte, in der syrischen Stadt Hama Steinblöcke mit unbekannten Hieroglyphen. Der englische Philologe Archibald Henry Sayce vermutete im Jahr 1876, diese Inschriften seien als hethitisch zu betrachten. In der ersten Hälfte des 20. Jh. wurden viele weitere solcher Inschriften entdeckt, hauptsächlich in Karkemiš und Hattuša. Parallel dazu entzifferte der österreichisch-tschechische Sprachwissenschaftler und Altorientalist Bedřich Hrozný im Jahr 1917 die Keilschrifttafeln der Hethiter. Daraufhin gelang es dem schweizerischen Assyriologen und Hethitologen Emil Forrer 1919 erstmals, Dokumente aus den Keilschriftarchiven in luwischer Sprache zu lesen. Aber erst nach der Publikation des Großteils der keilschriftluwischen Texte aus Hattuša ab 1953 konnten keilschriftluwische und hieroglyphenluwische Texte in Relation zueinander gebracht werden, und somit wurde Hieroglyphenluwisch mit seinen insgesamt 520 Zeichen weitgehend verständlich.

Die Hieroglyphenschrift lässt sich bis mindestens 2000 v. Chr. zurückverfolgen, wie ein Siegel aus der Fundstätte Beycesultan belegt. Frühe Zeugnisse der Hieroglyphenschrift sind Beamtensiegel, bei denen Name und Titel im Zentrum mit Hieroglyphen geschrieben, aber von Keilschrifttexten umgeben sind. Längere Hieroglypheninschriften entstanden im letzten Jahrhundert des hethitischen Reichs. Dazu zählt die 8,5 Meter breite Nişantaş-Inschrift (Zeichenstein) in Hattuša, in der der letzte Großkönig, Šuppiluliuma II., von seiner Eroberung Zyperns berichtet. Nachdem die Keilschrift mit dem Zusammenbruch des Hethiterreichs um 1190 v. Chr. aus Kleinasien verschwunden war, wuchs die Verbreitung der luwischen Hieroglyphenschrift. In Südostkleinasien und Syrien finden sich bis ca. 600 v. Chr. zahlreiche hieroglyphenluwische Zeugnisse vor allem bei monumentalen Königsinschriften, aber auch in Form von Briefen, die auf Bleistreifen geschrieben wurden.

ANREGUNGEN

1400 Jahre Schriftkenntnis

Die Ursprünge der luwischen Hieroglyphenschrift sind noch immer obskur. Der niederländische Sprachforscher Fred Woudhuizen geht davon aus, dass die luwische Hieroglyphenschrift bereits in der mittleren Bronzezeit (2000-1700 v. Chr.) gebräuchlich war. Schriftkenntnisse entwickeln sich in aller Regel aus einem wirtschaftlichen Bedürfnis heraus. Westkleinasien besaß Rohstoffe – und hatte damit vermutlich frühzeitig einen Bedarf für Schrift. Anderseits sehen Altorientalisten heute eine Verbindung zwischen religiös-kultischen Praktiken und den frühesten Schriftformen, was auf die ersten luwischen Inschriften tatsächlich ebenso zutreffen könnte. Unabhängig davon wurde das Auftreten der Hieroglyphen im Westen Kleinasiens häufig mit der Präsenz von Hethitern assoziiert, denn die Wissenschaftler bezeichneten die luwische Hieroglyphenschrift zunächst als „hethitische Hieroglyphen“. Diese Begriffsverwirrung hat vermutlich dazu beigetragen, dass die Ausdehnung des hethitischen Reichs auf Karten immer weiter nach Westen wuchs, bis sich schließlich eine gedachte gemeinsame Grenze mit dem mykenischen Herrschaftsbereich ergab. Die Verknüpfung von Funden luwischer Hieroglyphen mit dem hethitischen Herrschaftsbereich ist allerdings weder plausibel noch gerechtfertigt.

Nach dem Untergang der Hethiter und der Aufgabe der Keilschrift war nur noch die Hieroglyphenschrift gebräuchlich. Sie wurde vor allem für öffentliche monumentale Felsinschriften eingesetzt, oft auf Orthostaten oder Stelen. Inschriften auf Blei deuten jedoch darauf hin, dass die Schrift auch für begrenzt haltbare und wiederverwendbare Materialien benutzt wurde. Die in Stein gemeisselten Texte berichten für gewöhnlich über die Gründung von Städten oder über Leistungen und Ehrungen von Herrschern, wobei sogar deren Diener erwähnt werden. Der deutsche Altphilologe Hubert Cancik (2002, 79) schreibt über die Verfasser:

Einige dieser sogenannten Schreiber waren hochgestellte Persönlichkeiten, kannten den diplomatischen Verkehr, viele Sprachen, mehrere Schriften in verschiedenen Medien (Stein, Ton, Blei, Holz). Sie beherrschten die Formulare, die Topik von Baubericht und Siegesmeldung und vermochten aus archaischen Vorlagen in ihren Bibliotheken archaistische Texte neu zu formulieren und zu schreiben.

LITERATUR

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Cancik, Hubert (2002): “Die hethitische Historiographie: Geschichtsschreibung vor den Griechen I.” In: Die Hethiter und ihr Reich – Das Volk der 1000 Götter. Helga Willinghöfer (ed.), Theiss, Stuttgart, 74-77.
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