Spätbronzezeitliche Schiffswracks

Die Ausgrabungsstätte des Palastes von Nestor in Epano Englianos mit Blick nach Süden zum künstlichen Hafen.
Das verlandete Hafenbecken in Pylos trat als rechteckiges Feld (Mitte) aus der Landschaft hervor. Heute ist es mit einem Golfplatz überbaut.
Manche Handelsschiffe der Spätbronzezeit waren so groß, dass sie an Kaimauern angelegt haben müssen.

Das Schiff von Uluburun, das 1982 an der Südküste der Türkei gefunden und anschließend systematisch erforscht wurde, lieferte einzigartige Hinweise auf Warenaustausch und Wirtschaft der späten Bronzezeit. Kaum etwas ist hingegen über die Hafenstädte bekannt, die das Schiff an der Süd- und Westküste der Türkei angelaufen haben dürfte. Grabungen in den noch heute sichtbaren verlandeten Hafenbecken könnten weitere Gegenstände, vielleicht sogar komplette Schiffe zutage fördern.

KENNTNISSTAND

Im Jahr 1982 stieß ein Schwammtaucher in der Nähe von Kap Uluburun im Süden der Türkei, 8,5 Kilometer südöstlich von Kaş, in rund 60 Meter Wassertiefe auf Kupfergegenstände. Die Objekte gehörten zu einem spätbronzezeitlichen Wrack, das anschließend zwischen 1984 und 1994 unter der Leitung des US-amerikanischen Unterwasserarchäologen George Bass und seines türkischen Kollegen Cemal Pulak als das sogenannte Schiff von Uluburun ausgegraben wurde. Das Schiff hatte eine Länge von 15 bis 16 Metern und eine Breite von 5 Metern. Planken und Kiel bestanden aus Zedernholz von Bäumen aus dem Libanon, die laut dendrochronologischer Altersbestimmung nach 1305 v. Chr. gefällt worden sein mussten. Steinanker und von der Mannschaft genutzte Küchenkeramik deuten darauf hin, dass der Heimathafen des Schiffs in Kanaan lag, nahe der heutigen Grenze zwischen Israel und dem Libanon.

Das Schiff von Uluburun hatte mindestens 20 Tonnen Fassungsvermögen und hauptsächlich Rohstoffe und einige Fertigwaren an Bord. Die wichtigsten Handelsgüter bestanden aus etwa 1 Tonne Zinn und 10 Tonnen Kupfer in Form von 354 großen Ochsenhautbarren mit einem durchschnittlichen Gewicht von 24 Kilogramm. Zur restlichen Fracht gehörten 175 scheibenförmige Glasbarren in mindestens vier verschiedenen Farben, die anscheinend Lapislazuli, Türkis, Amethyst und möglicherweise Bernstein imitieren sollten. Über hundert Gefäße enthielten Terebinthinen- oder Pistazienharz, was neben den Metallen die zweitgrößte Kommissionsware ausmachte. Terebinthinenharz hat die Eigenschaft, bestimmte Bakterien zu töten, und war als Konservierungsmittel in Wein schon seit dem 6. Jt. v. Chr. gebräuchlich.

Viele Objekte aus dem Schiff von Uluburun waren bereits aus ägyptischen Grabmalereien oder Dokumenten wie den Amarna-Briefen bekannt. Der größte Teil der Handelsgüter hatte seinen Ursprung in Syrien, Kanaan oder Zypern. Das Schiff dürfte demnach aus dem Osten gekommen und Richtung Westen unterwegs gewesen sein. Die Mannschaft bestand aus kanaanitischen Händlern und Seeleuten. Einige Wertgegenstände, Schwerter und Dolche deuten darauf hin, dass die kanaanitische Crew von Boten oder Vertretern der Einkäufer begleitet wurde, die den Handel überwachten. Zwei von diesen waren hochrangige Mykener. Eine dritte Person stammte möglicherweise aus der nördlichen Ägäis.

ANREGUNGEN

Weltweite Führungsrolle in der Unterwasserarchäologie

War der dritte Ausländer an Bord des Schiffes ein Luwier? Es wäre denkbar, dass Mykener und Luwier zum Teil gemeinsam den Fernhandel überwachten, und zwar so, dass zumindest manche Schiffe von Repräsentanten beider Ägäisküsten begleitet wurden. Die wichtigsten Abnehmer – im Süden wie im Norden der Ägäis – mögen Kontrolleure zur Bewachung ihrer Fracht mitgeschickt haben. Der hohe Wert der Fracht könnte auch implizieren, dass es mehr als einen Empfänger gab.

Mit der äußerst systematischen und umfassenden Ausgrabung des spätbronzezeitlichen Schiffs von Uluburun hat sich die Türkei in der Unterwasserarchäologie weltweit an die Spitze gesetzt. Wir kennen dank dieser Grabung zahlreiche Handelsgegenstände. Da diese zum großen Teil bereits in ägyptischen Grabmalereien in West-Theben zu sehen sind, wissen wir nun auch, dass die dort ansässigen Künstler die Inhalte der Darstellungen nicht frei erfunden haben. Die Hafenstädte jedoch, die das Schiff an der Süd- und Westküste der Türkei angelaufen haben dürfte, bleiben weiterhin unbekannt. Tiefreichende Ausgrabungen an den richtigen Stellen hätten das Potenzial, die Türkei auch im Hinblick auf die landgestützte prähistorische Archäologie zu einer globalen Referenz werden zu lassen.

An manchen Orten im Westen der Türkei, zum Beispiel am Kesik Tepe in der Nähe von Hisarlık, sind verlandete Hafenbecken noch heute deutlich erkennbar. Die Vermutung liegt nahe, dass in den Sedimenten dieser Becken Gegenstände zu finden wären, die beim Be- und Entladen über Bord gefallen sind. Im Rahmen der kriegerischen Auseinandersetzungen um Troja könnten sogar ganze Schiffe im Hafen versenkt worden sein. Im sauerstoffarmen Ablagerungsmilieu am Boden der Hafenbecken würde sich auch organisches Material, zum Beispiel Leder, erhalten. Mit naturwissenschaftlichen Prospektionsmethoden ließen sich die vielversprechendsten Stellen für erste Sondierungen ermitteln. Alles, was es braucht, ist der Mut, auch einmal Ausgrabungen in einer Ebene einzuleiten – und nicht immer nur auf Burghügeln –, sowie die Kenntnis, an welcher Stelle genau gegraben werden müsste.

LITERATUR

Bass, George F. (2010): “Cape Gelidonya Shipwreck.” In: The Oxford Handbook of the Bronze Age Aegean. Eric H. Cline (ed.), Oxford University Press, Oxford, 797-803.
Klinger, Jörg (2007): Die Hethiter. C. H. Beck, München, 1-128.
Pulak, Cemal (2005): “Discovering a Royal Ship from the Age of King Tut: Uluburun, Turkey.” In: Beneath the Seven Seas. George F. Bass (ed.), Thames & Hudson Inc., New York, 34-47.
Pulak, Cemal (2010): “Uluburun Shipwreck.” In: The Oxford Handbook of the Bronze Age Aegean. Eric H. Cline (ed.), Oxford University Press, Oxford, 862-876.
Yalcin, Ünsal, Cemal Pulak & Rainer Slotta (eds.) (2005): Das Schiff von Uluburun – Welthandel vor 3000 Jahren. Katalog zur Ausstellung. Deutsches Bergbaumuseum, Bochum, 1-693.