Der Übergang von der späten Bronze- zur frühen Eisenzeit ging mit umfangreichen Migrationen einher. Viele Menschen verließen die Schauplätze der Kriege und zogen in neue Regionen, die ihnen möglicherweise von Handelsbeziehungen bekannt waren. Sie vermischten sich mit der lokalen Bevölkerung, und so entstanden neue Zentren und Kulturen. Das Ende der Bronzezeit war daher nicht nur ein Kultureinbruch, sondern auch ein Neubeginn.
KENNTNISSTAND
Während und kurz nach den Angriffen der Seevölker um 1200 v. Chr. fanden weitreichende Völkerwanderungen statt. Die Reliefs am Totentempel von Ramses III. in Medinet Habu zeigen Familien, die mit Hab und Gut auf Ochsenkarren unterwegs sind. Viele Wissenschaftler sind der Ansicht, dass diese wandernden Gruppen mit den Seevölkern Koalitionen eingingen. Die Erklärungen für die Ursachen der Migrationen hängen oft von der jeweils angenommenen Erklärung für die Seevölker-Unruhen ab.
Auf dem griechischen Festland blieben 80 Prozent der Ortschaften vollkommen verlassen zurück. Während einige Paläste gewaltsame Zerstörungen aufweisen, scheinen andere unbedroht aufgegeben worden zu sein. Mit dem Zusammenbruch der Palastgesellschaft ging selbst die mykenische Schrift verloren, weshalb man heute allgemein vom „Dunklen Zeitalter“ spricht. Dennoch bestand die mykenische Kultur noch rund 150 Jahre länger.
Während die einstigen Machtzentren in Griechenland weitgehend entvölkert waren, stieg die Dichte andernorts. An der Peripherie und in Regionen, zu denen bereits zuvor Fernhandelsbeziehungen gepflegt worden waren, nahm die Bevölkerung zu. Dazu gehören unter anderem Euböa, Rhodos, Zypern und die Levanteküste von Syrien bis Kanaan. Auch Sizilien, Sardinien und weite Teile Italiens profitierten bald vom Zerfall der bronzezeitlichen Königreiche.
ANREGUNGEN
Vom Neubeginn in fremden Ländern
Auf die Invasionen der Seevölker folgte ein unvergleichlicher Absturz von den kulturellen Höchstleistungen des heroischen Zeitalters auf das Niveau einfacher Bauern- und Hirtenvölker. Die Bevölkerung wandte sich wieder ihrer ursprünglichen unabhängigen und dezentralen Lebensweise zu, oder sie verließ ihre angestammte Heimat und versuchte neue Gebiete zu erschließen. Nach dem vollständigen Zusammenbruch eines politischen Systems bleibt den Überlebenden kaum mehr als das nackte Leben und die eigenen Kenntnisse. Unter diesen Umständen liegt ein Neustart in fernen Ländern, die vom Seehandel her bekannt waren, durchaus nahe.
Die Migrationen führten zu einer tiefgreifenden Vermischung und gegenseitigen Befruchtung verschiedenster Völker und schließlich zur Bildung neuer Zentren und Kulturen. Die Grenze zwischen der Bronze- und der Eisenzeit darf aus diesem Grund nicht nur als ein Kultureinbruch gesehen werden. Die politischen Systeme der späten Bronzezeit waren nämlich außerordentlich einfach. Rivalisierende Stadt- und Kleinstaaten, die sich gegenseitig kontrollierten und bekämpften, bestimmten die politische Karte. Haupteckpfeiler der Wirtschaft war der Ackerbau, während der internationale Handel sich im Wesentlichen auf Luxusgüter beschränkte. Reichtum kannten nur die Machthaber, die sich letztlich an Tributen der Landbevölkerung schadlos hielten. Vom kulturellen Fortschritt profitierte denn auch nur diese oberste Schicht der hierarchisch gegliederten Gesellschaften. Die Schriftsysteme, allen voran das an den griechischen Palästen gebräuchliche Linear B, waren hochkompliziert und für Nichteingeweihte geradezu undurchschaubar. Die Entfaltung einer Volksbildung oder die Entstehung schöngeistiger Literatur wäre mit den bronzezeitlichen Staatsgefügen kaum möglich gewesen.
Unter diesen Voraussetzungen hatten die Mittelmeerkulturen im 13. Jh. v. Chr. vermutlich das Optimum ihrer kulturellen Entwicklung erreicht. Jeder weitere Fortschritt setzte die Zerstörung der bestehenden Strukturen und einen völligen Neubeginn voraus. Die Krisenjahre des 12. Jh. v. Chr. waren also – so gewaltsam sie sich auch auswirkten – wie ein reinigendes Gewitter, das die Grundlage für einen umfassenden politischen und wirtschaftlichen Neuanfang schuf. Viele kulturelle Entwicklungen, die für unsere Gesellschaft noch heute von fundamentaler Bedeutung sind, kamen schon bald nach den Krisenjahren in Gang. Zu den Ergebnissen zählen die meisten heute gebräuchlichen Schriftsysteme sowie die ältesten bedeutenden Texte der abendländischen Kultur, darunter das Alte Testament und die homerischen Epen, der Glaube an einen einzigen Gott und das Münzwesen.