Wasserbau in der Bronzezeit

Teilweise verlandetes künstliches Hafenbecken von Alexandria Troas; ca. 30 km südlich von Troja.
Luftaufnahme mit dem Rand des 2 km2 großen künstlichen Hafenbeckens (rechts) von Birket Habu sowie dem Aushub (Mitte) aus der Zeit Amenophis’ III. in West-Theben.
Gleichförmige rechtwinklige Küsteneinschnitte nahe den wichtigen minoischen Siedlungsplätzen auf Kreta deuten darauf hin, dass hier früher Kaianlagen aus Holz gewesen sein könnten. Im Bild Gournia.
Künstlicher Stausee aus hethitischer Zeit (wieder ausgegraben) bei Alaca Höyük.
Verlandeter künstlicher Teich auf der Südburg in Hattuša. Die Steinreihe gibt die Umrisse an.
Die bronzezeitlichen Wasserbauanlagen in Troja sind längst verlandet. Im Frühjahr bilden sich darauf manchmal stehende Gewässer, so dass die Umrisse der Becken wieder gut zu erkennen sind.
Rekonstruktion eines spätbronzezeitlichen Hafens, wie es im minoischen Kreta einige gegeben hat.
Die topografische Karte der Ebene von Troja von Thomas Spratt und Peter Wilhelm Forchhammer aus dem Jahr 1850 zeigt Kanäle und Aushubhaufen.
Künstlerische Rekonstruktion der Staumauer in Mykene.
Wenige hundert Meter Transport über Land bei Troja hätten 50 km Seefahrt bei der Einfahrt in die Dardanellen erspart.
Feuchtgebiete bei Pınarbaşı nahe Troja sind möglicherweise Relikte spätbronzezeitlicher Wasserbauanlagen.
Schliemanns Skizze zeigt die Nahtstelle zwischen Ilion und der Ebene. Er hat den alten Verlauf des Skamander, ein kleines Hafenbecken und eine Sandbank (vom Aushub) erkannt.
Hypothetische Rekonstruktion der Wasserbauanlagen in der Ebene von Troja am Ende der Bronzezeit.
Diese Karte aus Schliemanns Ilios zeigt, wie der Skamander am Fuß von Hisarlık vorbeifloss.
Einer der Quellflüsse des Skamander am Berg Ida.
Antoine François Mauduit geht davon aus, dass der frühere Kanal in die Besik-Bucht der Mündung des Skamander zur Zeit von Demetrius von Skepsis entsprach (S. 132, 215).
Der Hafen von Nestor und der künstliche Stausee. Nach dem Zusammenbruch des mykenischen Königreichs sind beide Gewässer schnell verlandet.

Der fast zweitausend Jahre währende Erfolg des Siedlungsplatzes Troja beruhte teilweise auch auf der günstigen geopolitischen Lage an der Einfahrt zu den Dardanellen. Hinweise auf Eingriffe in die natürlichen Wasserläufe lassen vermuten, dass die Trojaner aufwendige Wasserbaumaßnahmen ergriffen – keine Seltenheit in der Spätbronzezeit. Anhand der heute noch sichtbaren Kanäle und Becken sollte es möglich sein, die Gewässer und Hafenanlagen von Troja zu rekonstruieren.

KENNTNISSTAND

Der Ausgräber Manfred Korfmann war überzeugt, dass Trojas Ruhm auf seiner strategisch günstigen Lage an der Einfahrt zum Schwarzen Meer beruhte. An den Dardanellen herrscht meistens ein starker Nordwind, der die Meerenge für die damaligen Schiffe unpassierbar machte. Die Schiffe haben nach Korfmanns Ansicht im Hafen von Troja auf günstige Winde gewartet und mussten der Stadt vermutlich auch Schutz- und Lotsengebühren abliefern. Korfmann und der Basler Gräzist Joachim Latacz meinen, dass die natürliche Beşik-Bucht, rund zehn Kilometer südlich des Burghügels, als Hafen genutzt wurde. Die Schiffe wären demnach dort auf den Strand gezogen worden.

Geomorphologische Untersuchungen der Ebene von Troja haben gezeigt, dass das heutige Flussbett des Karamenderes nicht mit seinem alten Verlauf identisch ist. Die ganze Ebene ist außerdem von ausgetrockneten Flussbetten und künstlichen Kanälen durchzogen. Der Kieler Geografieprofessor Peter Wilhelm Forchhammer und Thomas Spratt von der Royal Navy führten bereits 1839 Vermessungen in der Ebene durch. Forchhammers Aufzeichnungen und die Karte der Gegend, die Spratt anfertigte, geben auch einen erstklassigen Einblick in die Topografie der Landschaft Mitte des 19. Jh. Sie enthält verschiedene verlandete Wasserläufe sowie Hügel mit Aushub. Auch Schliemann war überzeugt, dass die Trojaner den Karamenderes umgeleitet hätten, um Überschwemmungen vorzubeugen.

ANREGUNGEN

Künstliche Häfen und unterirdische Wasserwege

Tausend Jahre nach dem Untergang des spätbronzezeitlichen Troja erblühte mit Alexandria Troas dreißig Kilometer weiter südlich noch einmal eine ausgedehnte Stadt in der gleichen Region. Ein wichtiges Attribut dieser Stadt waren zwei künstliche Hafenbecken, die noch heute sichtbar und mit Wasser gefüllt sind. Konstantin der Große (272–337) soll sogar erwogen haben, Alexandria Troas zur Hauptstadt des Römischen Reichs zu machen, entschied sich dann aber für Byzanz – aus dem später Konstantinopel und schließlich Istanbul erwuchs.

Bereits in der Spätbronzezeit gab es aufwendige Wasserbaumaßnahmen. Dazu zählen künstliche Häfen in Syrien und Palästina, die durch geschickte Führung der Strömung sedimentfrei blieben. In West-Theben am oberen Nil ließ Amenophis III. im 14. Jh. v. Chr. ein künstliches Hafenbecken von zwei Quadratkilometer Größe ausheben. Auch aus dem mykenischen Griechenland sind zahlreiche Wasserbaumaßnahmen bekannt, unter anderem die noch heute funktionsfähige Flussumleitung in der Nähe von Tiryns, die Trockenlegung des Kopais-Sees und der Hafen des Nestor bei Pylos.

An keinem frühgeschichtlichen Ort häufen sich die Hinweise auf Eingriffe des Menschen in die natürlichen Wasserläufe jedoch so sehr wie in Troja. Der Fluss, der die trojanische Ebene durchquert, hatte in der Antike zwei Namen: Die Götter nannten ihn Xanthos („gelber Fluss“, Ilias 20.74); später sollen die Bewohner das Flussbett künstlich verlegt haben, deswegen hieß er fortan Skamma andros (Skamandros, Skamander), „weil das Graben (skamma) jenes Mannes (andros ekeinou) den Xanthos aus der Erde herausleitete“ (Eustathios, Commentarii ad Homeri 20.74).

Es ist durchaus möglich, zu bestimmen, wie die Flussverläufe und Hafenanlagen von Troja ausgesehen und funktioniert haben. Die Basis dafür liefern die noch heute in der Landschaft erkennbaren Kanäle und Becken, der Vergleich mit spätbronzezeitlichen Wasserbauanlagen in Griechenland, die Angaben in der Karte von Spratt und die Erkenntnisse der Hydraulik. Folgendes System wäre demnach denkbar: Der Hauptwassereintrag erfolgt von Süden durch den Karamanderes. Diesen Fluss ließ man kanalisieren und durch einen wenige Meter breiten, aber bis zu zehn Meter tiefen künstlichen Einschnitt zur Beşik-Bucht ableiten. Den Kanal hielt man absichtlich schmal, damit das Wasser hohe Geschwindigkeiten erreichte und so möglichst viel Sediment mitriss. Die Ablagerungen am Strand von Beşik bestehen deswegen auch aus Sanden und Kiesen des Karamenderes, wie seit siebzig Jahren bekannt ist.

Den Dümrek (Simois in der Antike) leitete man so um, dass er die Burg Ilion umfloss. An deren Fuß befand sich ein kleiner Ankerplatz. Von dort verlief ein Kanal quer durch die Stadt, die sich in der Ebene befand, zum Westen der Ebene. Dieser schiffbare Kanal könnte sogar zum Teil überbaut gewesen sein. Alles in allem hätte die Anordnung etwa der der Grachten in Amsterdam entsprochen, wie sie sich in einem Luftbild zeigen. Die trojanische Königsfamilie und ihre Besucher konnten so mit niedrigen Booten die Stadt durchqueren und zum Haupthafen gelangen, ohne Straßen benutzen zu müssen.

Das wichtigste Merkmal der Hafenanlage war allerdings ein noch heute sichtbarer dreißig Meter tiefer Einschnitt in das Küstengebirge. Durch diesen zog man Schiffe rund fünfhundert Meter über Land, um sie auf der anderen Seite kontrolliert in ein mit Süßwasser gefülltes Binnenbecken zu lassen. Nach dem Ent- und Beladen konnten die Schiffe auf günstige Windverhältnisse warten und dann den Hafen über die Dardanellen mit der Hauptströmung Richtung Westen zur Ägäis hin verlassen oder mit Hilfe einer Gegenströmung entlang des Südufers der Dardanellen nach Osten Richtung Marmarameer weiterfahren. Das gesamte System benötigte keine beweglichen Teile; halbhohe Mauern sorgten für Überflussmöglichkeiten bei hohen Flusspegeln.

Folgende Ziele erreichten die Trojaner mit diesem System:

  1. Die Flüsse konnten zur Wasserversorgung der Stadt und zur Bewässerung der Felder genutzt werden.
  2. Die Wasserversorgung war ganzjährig sichergestellt, auch während Trockenzeiten.
  3. Die Stadt war vor Überschwemmungen geschützt.
  4. Die Stadt verfügte über drei geschützte Häfen.
  5. Die Einfahrt in die Dardanellen wurde ermöglicht.
  6. Das Süßwasser des Haupthafens vertrieb Würmer und Algen von den Schiffsrümpfen.
  7. Konzentrische Gräben sorgten für zusätzliche Verteidigung.
  8. Aristokraten konnten die Stadt schnell und diskret per Boot durchqueren.

Vielleicht hatten die Ingenieure das System sogar so eingerichtet, dass die Straßen der Stadt von Zeit zu Zeit kontrolliert mit Wasser gespült werden konnten, um sie von Unrat und Fäkalien zu säubern, wie es Guido de Columnis behauptet (5.177).

Geht man davon aus, dass Troja mit dem in hethitischen Texten genannten Wiluša identisch ist, liefert ein Vertrag zwischen dem hethitischen Großkönig Muwattalli II. und dem König Alaksandu von Wiluša einen weiteren Hinweis auf wasserbauliche Maßnahmen. Der Text nimmt Bezug auf einen Gott von Wiluša mit Namen KASKAL.KUR (KUB 21.1 iv 27-28). Dieser Begriff steht für „unterirdische Wasserwege“.

LITERATUR

Forchhammer, Peter Wilhelm (1842): “Observations on the Topography of Troy.” Journal of the Royal Geographical Society 12, 28-44.
Forchhammer, Peter Wilhelm (1850): Beschreibung der Ebene von Troja. Heinrich Ludwig Brunner, Frankfurt am Main, 1-28.
Korfmann, Manfred (2003): “Some Observations on Equating Troia with the ‘Atlantis Myth.’” In: From Villages to Towns. Studies Presented to Ufuk Esin. Mehmet Özdogan, Harald Hauptmann & Nezih Basgelen (eds.), Arkeoloji ve Sanat Publications, Istanbul, 1-20.
Lenz, Carl Gotthold (1798): Die Ebene von Troia. Michaelis, Neu Strelitz, 1-306.
Roberts, Gildas (1970): Joseph of Exeter: The Iliad of Dares Phrygius. Balkema, Kapstadt, 1-114.
Zangger, Eberhard & Serdal Mutlu (2015): “Troia’daki Yapay Limanlar ve su Mühendisliğı: Bir Jeo-Arkeolojik Çalışma Hipotezi.” Olba 23, 553-589.
Zangger, Eberhard, Sergei B. Yazvenko, Michael E. Timpson, Falko Kuhnke & Jost Knauss (1997): “The Pylos Regional Archaeological Project, Part 2: Landscape Evolution and Site Preservation.” Hesperia 66 (4), 549-641.